W, d. 22.7.1948
Waldo, mein Liebster,
ich bin ganz untröstlich. Meinetwegen nicht so sehr, aber daß
ich Dir nun die Freude an der Wallfahrt nehmen muß, ist mir
ganz furchtbar. Leibster, wärest Du doch nicht so weit von hier.
Nur ein liebes Wort von Dir könnte Wunder tun bei mir, wenig-
stens stimmungsmäßig. Ob es möglich ist, daß Du vorher
hier vorbeikommen kannst. Liebster, wie hatte ich mich auf unsere
gemeinsame Fahrt gefreut. Es wäre sicher sehr schön geworden.
Nun ist alles so anders gekommen. So geht 1 Woche Deines Urlaubs
weg, wo wir nicht zusammen sein können. Dr. Trauboth war
gestern hier. Ich finde, er war garnicht nett zu mir. Er machte die
Sache so schlimm. Wenn es auch vielleicht in seinen Kräften lag,
so hatte er doch nichts getan mir nicht geholfen, sodaß ich Frei-
tag hätte fahren können. Die Blutungen sind jetzt etwas stärker,
aber ich habe keine Schmerzen. Ich bin froh, daß Maria zu
Dir fährt. Ich zähle die Stunden bis sie zurück ist.
Wärest Du nur hier, Du könntest mich wieder beruhigen.
Was machst Du nun? Du wirst mit M. alles überlegen.
Ich muß mich jetzt wieder hinlegen. Daß man schon so früh
um so ein kleines Wesen ein solches Opfer bringen soll,
hätte ich nicht erwartet. Aber es geht ja um unser Kind.
Ich will mich trotz allem nicht dagegen auflehnen.
Könnte ich nur einmal mit Dir sprechen, dann wäre schon
alles gut. Ich will mich bemühen, mich ganz ruhig im
Bett zu verhalten, damit nicht alles umsonst ist.
Auch dieser Schmerz geht vorüber. Dein Gelöbnis habe ich
auch so erfüllt oder gehalten, denn erst jetzt ist es ja
ein Opfer für mich. Ich will mal nicht verzweifeln
sonder zur Gottesmutter beten besonders für Dich u. mich u.
unser Kleines. Nun muß ich wieder in's Bett gehen. Ich will
auch artig sein. In Gedanken bin ich immer bei Dir, Du
mein über alles Geliebter.
In Sehnsuch u. Liebe
grüßt u. küßt Dich
Deine
Josi.
Du wirst u. kannst mir
doch nicht sein. oder??
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