I. Wewelsburg, d. 20.III.1947
Kirchlinde, d. 26.III.47
Mein liebster Franz!
Heute abend kann ich Dir ganz ungestört schreiben. Mutter ist noch
nicht von Holthausen zurück. Hanna ist nach Happen u. Willi ist eben
auch gegangen.
Ich komme gerade von unten. Dort hatte ich eine freudige Überraschung.
Mein Vetter Leo, der noch in England war, kam heute abend von
Haspe. Ich habe mich schrecklich gefreut, aber er hat sich in jeder
Weise furchtbar verändert. Er kommt mir mit seinen 30 Jahren vor wie
ein Greis. So viel an Pessimismus ist mir noch nie begegnet. In der Gefan-
genschaft ging es ihm gut, er war Dollmetscher. Er ist nur seiner Mutter
zuliebe nach Haus gekommen, er bereut es anscheinend schon. Er weiß
nicht was er nun beginnen soll, er war Berufssoldat.
Heute abend habe ich mal wieder so recht eingesehen wie glücklich wir
zwei daran sind. Für (manche) viele Menschen ist das Leben zum Verzwei-
feln, besonders wenn sie keine Religion haben. Man macht sich nur das
Leben schwer wenn man darüber nachgrübelt u. helfen tut man nieman-
dem damit, im Gegenteil. Aber daß der Leo so ist, hat mich doch ein
bißchen durcheinander gebracht. Morgen früh kommt er rauf.
In Lippspringe unterhielt ich mich lange mit einer Dame, die einige
Wochen in Staumühle im politischgefangenen-Lager war. Sie erzählte
mir ganz erschütternde Dinge.
II.
Den Sohn aus der Apotheke Hermes in Paderb. fand man vergiftet im
Brenkener Holz. Seit seiner Gefangenschaft war er manchmal schwer-
mütig. Er hat sich genau 1 Jahr nach der Gefangenschaft u. in seiner
Gefangenenuniform das Leben genommen. ----
Mein Liebster, ganz herzlich danke ich Dir für Deinen lieben u. langen Brief.
Mit der hübschen Spruchkarte hast Du mir eine große Freude gemacht.
Zunächst will ich Deine Fragen der Reihe nach beantworten.
Mein Vetter aus Siddingh. war noch in franz. Kriegsgefangenschaft.
Ich werde den Siddinghäusern gelegentlich auch in Deinem Namen das
Beileid ausdrücken. Am Montag war ich dort. Ich war dort bei einer
Frau, die liefert gegen Fettigkeiten wunderbare Wäsche, die sie mit der
Maschine gestrickt hat. Leider hatte sie gerade kein Garn da. In 14 Tg.
will ich es noch einmal versuchen. Man kann bei ihr auch schöne
Stoffe u. Strümpfe haben. Wir hätten lieber das Abendkleid gegen Strümpfe
eingetauscht, denn wo soll man soviel Fett her nehmen!? Wir leben in
einer ganz verrückten Zeit.
Am Dienstag haben wir ein elektrisches Waffeleisen für mich erstanden,
(natürlich gegen Fett.) Und außerdem noch eine schöne Spülschüssel
u. einen Durchschlag. Du fragst, was mir noch alles fehlt. Das ist
soviel, daß ich es garnicht aufschreiben kann. Solltest Du irgend etwas
Nützliches für Geld kaufen können, dann greif ja zu. Sollten wir mal
etwas doppelt haben, so ist es auch nicht schlimm. Einen Herd habe ich.
III.
Daß Du einen Film bekommen hast, ist sehr schön. Dann können wir ja
tüchtig Aufnahmen machen. Annel. möchte gern einmal mit ihren Mädchen
photografiert werden.
Dein Magen ist ja sehr in Ordnung, das freut mich. Ich werde Dir
bald ein Päckchen schicken.
Heiraten schreibt man übrigens mit ei. Wie sind die Aussichten auf eine
Wohnung? Deiner Tante geht es wieder sehr gut. Gestern war sie sogar
bei mir, um mir zum Namenstag zu gratulieren. Das fand ich nett.
Von Deiner Mutter erhielt ich eine Karte.
Von Lourdes habe ich nichts Näheres gehört oder gelesen.
Daß die Uhr wieder geht, darüber freuen wir uns jeden Tag neu.
Hoffentlich bekommst Du einen Bezugschein u. dann einen Mantel.
Vielleicht könntest Du dort gelegentlcih in einer Drogerie nach mittel-
blauer Stofffarbe fragen. Wir können auch jede andere Farbe brauchen.
Die Färbereien nehmen hier augenblicklich nichts an. Meinen Sommermantel-
stoff habe ich nicht weg bekommen. Hätte ich Farbe, könnte ich ihn
selbst färben.
Jetzt wird es Frühling. Gestern haben wir die ersten Schneeglöckchen
aus dem Garten geholt.
Gestern abend hat der Pastor über den hl. Josef gesprochen. Er ist der
Heilige, der ihm von allen am meisten imponiert. Der Pastor sprach über
alle möglichen Dinge, sehr ernst. Meine Gedanken haben sich noch lange
IV.
damit beschäftigt. Im Juni hielt er eine Christenlehre im selben Stil.
Ich denke oft daran, wenn wir zusammen sind. Nächstens erzähl ich's Dir.
Ich habe den Ofen ausgehen lassen, es ist mir so kalt.
Gute Nacht, Liebster träum von Deiner Josi.
Im Geiste umarmt u. küßt Dich
Deine Dich liebende
Josi.
W.d.21.III.
Liebster, heute mache ich Dir ein Päckchen fertig. Ich befürch-
te, daß der Kuchen kaputt geht. Er wird Dir hoffentlich auch
trotzdem schmecken. Ich hatte heute morgen keine Zeit, sonst hätte
ich Spritzgebäck gebacken.
Empfange 1000 herzliche Grüße u. einen süßen Kuß
von Deiner
Josi.
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