I.
Dortmund, d. 13.1.47
Meine liebe und gute Josi!
Heute mittag hat mir Dein lieber Brief eine grosse Freude
bereitet. Ich bin ja auch so stolz auf Dich. Du bist so ganz
anders geworden, so lieb und so bezaubernd. Du bist so richtig
aufgeblüht, als wenn sich eine Knospe öffnet. Das tut mir so
richtig gut, dass Du immer bei mir sein und mir ganz gehören
willst. Es wird einmal die Zeit reif sein. Bete weiter gut für
mich, und ich tue es für Dich. Dann werde ich bald einen
Arbeitsplatz finden, der mir zusagt.
Nun muss ich mal auf alle Deine Fragen eingehen. Du hast das
Richtige getroffen in Bezug auf meine Mutter. Ich hatte ihr auch
gesagt, ich sei doch kein kleiner Junge mehr, ich würde schon fertig
werden. Sie fällt mir wirklich manchmal auf die Nerven. -- Und
prompt habe ich mich wieder erkältet. Ich fange immer mit einem
Schnupfen an. Mein Magen ist wieder in Ordnung, er hat sich jetzt
sogar auf Hunger eingestellt. Gott sei Dank kann ich dem noch ab-
helfen, da ich einmal von Dir und von Hause was zusetzen kann.
Dann habe ich vom Krankenhaus Zulagen bekommen: alle vier Wochen
3200g Brot, 280g Butter und 800g Fleisch mehr. Das macht was aus. Allein
deswegen lohnt es sich schon dort zu arbeiten. Das Mittagessen ist nichts
Besonderes, immer durcheinander, Kappus, Kappus u.s.w. Satt essen
muss ich mich immer bei meiner Wirtin. Gestern am Sonntag habe ich
ganz gut gegessen hier. -- Im Krankenhaus bin ich so das 7. Rad am Wagen.
Der Prof. Woenkhaus ist keine Leuchte in der Medizin, zu lernen ist nicht
viel dort. Aber ich bin wieder drin, ich sehe selbst, dass ich noch viel
studieren muss. Gute Anleitung wäre ja besser. Ich will diese Stelle nur
als Sprungbrett benutzen. Forsche auch Du bitte weiter in Paderborn, Büren
oder weiter. Wenn ich an die Stelle von Trauboth gehen könnte, aber
jetzt geht der wohl nicht mehr weg vom Land. Vielleicht findet sich später
eine ähnliche Stelle. Wegen Kirchlinde habe ich den Pastor Schmidthammer
nochmal gefragt. -- Gestern abend (am Sonntag) habe ich eine Decke
gekauft für 17,- RM von einem Bekannten. Jetzt brauche ich des nachts nicht
mehr zu frieren, wo ich jetzt zwei Decken habe. Die Decke ist ganz dunkel, da
könntest Du Dir später einen Mantel von machen lassen, ungefärbt. Meinen
Anzug will ich dunkelblau färben lassen. Er ist ganz schön geworden. Meine Wir-
tin kennt ein Fräulein, die Beziehungen zu einer Färberei hat. Wie ist es denn
mit meinem Kittel? Wenn er fertig ist, schicke ihn mir bitte gleich zu. Ich
bekomme vom Krankenhaus keine gestellt. Von Hause habe ich mir den einen
Kittel schicken lassen. Ausserdem bekomme ich noch zwei auf Bezugschein,
den ich vom Haus bekommen habe. Darin will ich das Haus ausnutzen.
Sie kosten wahrscheinlich viel Geld. Und ich habe nichts mehr. Ich
muss dann mal nach Münster fahren. Sage doch bitte Anneliese, sie
möchte mir den Kittel für später fertig machen, vorläufig brauche ich ihn
nicht. Wenn der auch noch fertig ist, hätte ich ja fünf Kittel insgesamt.
Das genügt. (Waschen lassen kann ich sie im Haus).
Ich glaube, Euer Willi heiratet sie, wenn er so weiter macht.
Er kann sich nicht entschliessen, weil er keine von seinen Bräuten
lassen kann. Dass von Weiberg noch keine Gratulation gekommen ist,
liegt wohl daran, dass sie nicht wissen, wohin sie schreiben sollen. Aber
die anderen haben es ja getroffen. Meinen vorletzten Brief habe ich wohl
vergessen zuzukleben, oder der Klebstoff war zu schwach. Das kannst Du
ja noch nachprüfen, wenn Du Dir den Klebestreifen genau ansiehst.
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