20.                           Wewelsburg, d. 16.Juli 1946
                                  Metz, 31.7.46.

            Mein liebster Franz!
                    Diesen Brief erhälst Du hoffentlich nicht
mehr. Aber ich will trotzdem das Schreiben nicht noch einmal einstellen.
Es kommt so oft im Leben anders als man denkt. Allein der Gedan-
ke, daß Du vielleicht doch noch nicht kommst, ist furchtbar für
mich. Andererseits haben wir noch das ganze Leben vor uns, was sind
da so ein paar Wochen. Wir wollen am Schluß den Kopf doch nicht
hängen lassen. Ich freue mich, daß Deine Mutter in Ahden ist. Ich besu-
che sie gern u. dann sprechen wir immer von Dir, Geliebter. Am Sonn-
tag nachmittag war ich noch bei ihr. Ich hoffe, daß sie auch
einige Tage nach hier kommt. Agnes kommt heute oder morgen
aus dem Krankenhaus zurück. Es geht ihr den Verhältnissen entspre-
chend gut. Das Kleine ist nett, so ein liebes Schelmchen u. so artig.
Liebster, ich hoffe ganz stark, daß Du in den nächsten 14 Tg. bei mir
bist. Ob Du auch, wie Otto, über Münster kommst!? Dann
steigst Du doch erst bei mir aus u. dann gehe ich mit Dir nach
Ahden. Daß Du so fest auf mich vertraust macht mich so glück-
lich u. froh. Ich bin stolz darauf, Dir in der schweren Zeit ein
Halt zu sein. Das Gebet habe ich nicht vergessen. Es ist schön, daß
Du jeden Tag zur hl. Messe gehen kannst u. auch daß Du dann für
mich betest. Liest Du viel im Neuen Testament?
Mia hat mir so ein schönes Gedicht gemacht. Sie merkt auch wohl
mit welcher Sehnsucht ich auf Dich warte. Liebster, ich schreibe es
Dir ab.

Die Rosen blühen alle
u. duften durch die Nacht.
O Sehnsucht, heiße Sehnsucht,
die mich so elend macht!

Die Rosen blühen alle,
Geliebter, Du bleibst fern
ob Tag u. Nacht ich harre,
Du bleibst unsagbar fern.

Die Rosen blühen alle
nur meine Knospen nicht,
ach, meiner Liebe Rosen
öffnen sich nie dem Licht!

Die Rosen blühen alle
Geliebter, Du mein Licht,
o, komm, daß meine Liebe
Dir Rosenkränze flicht!

Für heute will ich mich verabschieden. Wir werden uns bald mündlich
unterhalten können. Otto ist nun schon 1/2 Woche hier. Ich muß ohne
Übertreibung sagen, der Otto ist ein Prachtstück. Es war ihm erst
unfaßbar, daß er die Freiheit wieder hatte. Verhältnismäßig
hat er es gut in der Gefangenschaft gehabt. Er ist sich noch nicht
klar darüber was er nun anfangen soll. Die Zeiten sind nicht
rosig. Seine Lehre hat er nicht einmal aus. (als Kaufmann)
Mit Willi u. uns ist noch immer dasselbe.
Morgen ist hier Firmung. -- Übrigens war Deine Tante von Samstag
bis Montag hier. Es geht ihr gut in Wünnenberg. Sie war ganz
allein gekommen.
Gute Nacht, Liebster. 1000 sehnsüchtige Grüße sendet Dir
                                      Deine
                                          Josi.

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Blatt 1/2 von 1946.07.16 Brief Josi an Franz



Blatt 2/2 von 1946.07.16 Brief Josi an Franz