Dortmund, d. 6.1.47

   Meine herzliebste Josi!
Armes Herz, sei nicht bang, bald
wird sich alles wenden, bald bist Du
wieder bei mir. Heute mittag bekam
ich Deinen lieben Brief. Nun bin ich ja
doch froh, dass Du noch an meinen
Geburtstag gedacht hast. Es war sicher die-
selbe Zeit, als auch ich an den Geburtstag
dachte, ungefähr, als ich in Büren war.
Erst war ich Dir ganz böse, dass Du nun
das 2. Mal nicht daran gedacht hast.
Nachher habe ich Dir wieder verziehen, als ich
dachte, dass Du so traurig beim Abschied
warst und so furchtbar beschäftigt warst
durch die Melkerei bei Marx. Du opferst
Dich auf für andere. Ach Du dummes
Schäfchen, ich bin Dir jetzt überhaupt
nicht mehr böse, da Du mir einen
so lieben Brief geschrieben hast und mir
ein so liebes Geburtstagsgeschenk gemacht
hast. Weine nicht mehr, sondern sei
fröhlich und stark, freue Dich jetzt mit
mir. Am 17. Januar kommst Du ja zu
mir, dann bekomme ich den Geburtstags-
kuss. -- Ich hatte selbst an dem Morgen
nicht daran gedacht. Wir sind ja beide ein
bisschen duselig und wollen uns deswegen
das Leben nicht schwer machen. Du hast
mir ja einen sehr schönen und lieben
Brief geschrieben. Wenn Du doch so sprechen
könntest! Kannst Du den ganzen Brief,
genau so, wie Du ihn geschrieben hast,
aufsagen? Mehr sprechen und singen, Josi!
Maria hat Deinen Kummer gleich in Verse
geschrieben. Sie nimmt gewaltig Anteil
an unserm Innenleben. Grüsse sie von
mir. Das Ingelein hast Du sicher nicht
zu heiss gebadet?
  Es war ja ganz gut, dass ich in Berge
war. Meine Tante ahnte es schon, dass ich
vorbeikäme. Aber mit meiner Mutter kom-
me ich auf keinen grünen Zweig. Sie
schliesst sich so ganz ab, aber das
macht nichts. Ich hatte aber auch
nicht den Mut, ihr mal richtig Bescheid
zu sagen. Man muss ihr vieles auf ihre
Krankheit anrechnen. Sie meint immer
die anderen wollten ihr was. Ihr Blutdruck
ist wieder höher. -- Besten haben mich
sehr gut bewirtet. Einen Kuchen, ein Stück
Wurst und 5 Eier haben sie mir noch
mitgegeben. -- Meiner Mutter geht es sonst
noch ganz gut. Nur die Angst ist es, die
sie dauernd quält. Sie hat Angst vor anderen
Menschen, Angst irgendwohin zu gehen und
hat Angst, dass mir was passiert. Andererseits
kann sie mit fremden Leuten ganz resolut
und vernünftig sprechen. Es ist eben
krankhaft. Es sieht so aus, als ob sie im-
mer etwas Angst und Ärger haben muss,
sonst ist sie nicht zufrieden.
  Du kannst ihr ruhig schreiben, wenn
es Dir auch schwer fällt. Meine Tante hat
Dich auch manchmal eingeladen, Du solltest
Fastnacht mit mir nach Berge kommen, dann
ist in Berge die Aufführung eines sehr lusti-
gen Theaterstücks. Meine Mutter ist wie
immer dagegen. Maria sagte, wegen des Schlafens
brauchte ich keine Sorge haben, Betten wären genug
da, dann können auch mal 2 zusammen
schlafen. Ich sagte meiner Mutter, sie hätte
mal die beiden Neujahrspredigten, von Sylvester
und Neujahr, hören müssen, wie er sagte,
man sollte auch die Freude geniessen.
Wenn Du mal eine ruhige Minute hast, dann
schreib mal meiner Mutter, wie wir Neujahr
gefeiert haben und dass wir getanzt haben in
Tudorf und dass ich in Ahden Geige gespielt
hätte und Du mir eine besorgen willst. Wenn
Du das machst, tust Du ein gutes Werk.
Dann schreibe ihr auch, wo sie aus einer
Wirtschaft käme, müsste sie doch auch Verständ-
nis für Feiern haben. Ab und zu müsste man
sich freuen, sonst ginge es gar nicht in dieser
trüben Welt. -- Ja, was machen wir Fast-
nacht? Ist in Wewelsburg was los? oder
ist etwas in Vorbereitung? In Berge, das wird
auch sehr schön, das kann ich Dir versprechen.
Es wird auch hinterher getanzt. Gib mir früh-
zeitig Nachricht, wie wir es machen sollen.
Ich bin für Berge. Auf alle Fälle will ich
mir den Sonntag frei machen, wenn ich auch
zweimal Dienst dafür machen muss. Schreib
mal, was Du dazu meinst.

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Blatt 1/4 von 1947.01.06 Brief Franz an Josi



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