Nr. 6.        Passionssontag. d. 18.III.45

  Meine herzliebste Josi!
Mit allen Fasern meines Herzens denke ich heute
an Dich, meine geliebte Braut. Denn gestern bekam
ich Deinen lieben Brief vom 7.III. Ein Kollege, der
noch einige Tage länger in Bad-Salzuflen war, hat
ihn mir mitgebracht. Es ist gut, daß ich den
Brief bekommen habe, denn Du kannst es
mir im Briefe besser sagen als mündlich, Und
ich muss es mal gesagt bekommen. Du hattest
Dir, als Du den Brief schriebst, auch noch nicht
gedacht, daß ich einen Tag darauf schon vor Dir
stehen sollte, um mich als fertiger Arzt vorzu-
stellen. Ich nehme Dir die beiden Fragen nicht
übel. Sie sind nach meinem Benehmen voll-
ständig berechtigt. Ich habe mich schlecht gegen Dich be-
tragen. Das Schlimmste war, daß ich Dich immer im
Unklaren gelassen habe, was ich denn eigentlich wollte.
Ich will ehrlich sein, hinterher hatte ich Dich voll-
ständig aufgegeben. Aber nach einiger Zeit merkte
ich, wie leer ich geworden war. Ich kam dann nach
Würzburg und dann nach Bad-Salzuflen, wo ich
mich auf das Staatsexamen vorbereitete. Weihnachten
bekam ich Urlaub für 6 Tage nach Dortmund (auf dem
B....schein von Münster, sonst hätte es nicht ge-
klappt). Zu Hause habe ich mit meiner Mutter
über Dich gesprochen und über die Zukunft. Da
habe ich mich entschlossen, Dir wieder zu schreiben.
Meine Mutter wollte Dir ebenfalls schreiben. Als Du
nun gar nicht antwortetest, schrieb ich dann einen Brief
an den Herrn Pastor. Daraufhin schriebst Du mir
wieder, als Du von Frl. Tusch erfahren hattest, daß
ich an Herrn Pastor geschrieben hätte. Nun bin ich
zu Dir zurückgekommen und habe Dich, die „Perle von
Wewelsburg”, wiedergefunden. Ich will jetzt mit Dir
ein neues Leben beginnen. Ich suche in Dir die
Ergänzung zu einem ganzen Menschen. So wie Du
mich ergänzt, will auch ich Dich ergänzen. Das
Band, das uns verbindet, ist unsere Liebe. Seitdem
ich Dich wiedergesehen habe, liebe ich Dich wieder wie
früher und doch etwas anders als früher. Jetzt kommt
dazu die Entschlossenheit, Dich wirklich zu meiner
Frau zu nehmen. Du bist jetzt meine von Herzen
geliebte Braut, die Du doch schon immer sein wolltest,
auch damals schon, nur konnten wir uns damals
noch nicht richtig finden.
   Kannst Du jetzt unter diesen Umständen, die
Zeit vergessen, wo ich Dich nicht mehr liebte? Du
schreibst, es läge an mir, ob Du es vergessen könntest.
Ich hoffe, daß ich Dir die Voraussetzungen dazu
gegeben habe. Und daß es in Zukunft so bleiben
wird, liegt aber auch an Dir. Ich hoffe, daß wir uns
verstehen. Schade, daß wir nur so wenig Zeit hatten
zur Aussprache. Bei unserem nächsten Zusammen-
sein haben wir hoffentlich längere Zeit. Denn eine
gründliche mündliche Aussprache fehlt uns noch,
bis alles in Ordnung ist. Du brauchst Dir keine
Angst zu machen darüber, was das wohl sein könnte.
Es sind nur Äusserlichkeiten. Etwas möchte ich
schon jetzt andeuten. Ich habe damals immer von
Dir erwartet, daß Du etwas aktiver sein möchtest.
Zum Beispiel hätte ich gerne von Dir gehört: Ich hab
Dich lieb, ich gebe Dir ein Küsschen. Oder wenn ich
Dir eine kleine Freude gemacht habe, oder wenn ich Dir
etwas geschenkt habe, hätte ich es gern gesehen, wenn Du
Deine Freude mir gegenüber ausgedrückt hättest, indem
Du mir ein Küsschen gibst. Oder Du hättest mal
gesagt: ich habe Dich lieb, ich will Deine Braut sein
und lasse mich gern von Dir entführen. Ich möchte,
daß Du Dich freier und ungezwungener mir gegen-
über zeigst. Du müßtest es auch fertig bringen, auch
wenn andere dabei sind, mir zuzulächeln. Einen
Kuß zu geben würde ich auch nicht fertig bringen. Es
liegt uns auch nicht so, wie z.B. den Franzosen, bei
denen der Kuß die conventionelle Begrüßung unter
Bekannten und Verwandten ist.
   Du würdest jetzt sagen, dasselbe möchte ich
auch von Dir erwarten. Es beruht eben auf Gegen-
seitigkeit. Von mir aus will ich alles tun, um
unser Liebesleben reizvoller zu gestalten. Tue Du
es auch, dann wird das Leben trotz der vielen Sorgen
um die Zukunft so schön, wie im Himmel.
   Ich freue mich schon auf unser nächstes
Zusammensein. Ich glaube, daß es sehr schön
werden wird. Auch hoffe ich, daß aus unserer
Zusammenarbeit etwas Gutes herauskommt. Du
wießt jetzt, worum es geht, um unsere Zukunft.
   Von Wünnenberg habe ich auch einen Brief be-
kommen. Ich hatte meiner Tante von Bad-Salzuflen
schon geschrieben, worauf sie durch Fine antworten
ließ. Wegen des Sparbuches hatte ich ihr geschrieben, das
in Dortmund mit verbrannt ist. Fine schrieb mir
so allgemein, daß man nach zwei Monaten ein neues
Buch anfordern könnte. Nun hätte ich eine Bitte
an Dich, für mich mal wegen des Sparbuches nach
Paderborn zu fahren. Ich lege Dir eine Ermächti-
gung bei, mit der Du ein neues Buch beantragen
kannst.
Ich weiss nicht, ob meine Tante oder mein Vater
schon da gewesen sind. Schreibe doch bitte mal
zu meiner Tante nach Wünnenberg (Nr. 3 bei Albert
Böhner), sie möchte Dir auch eine Ermächtigung
schreiben, dann wolltest Du für sie das Buch eben-
falls beantragen. Am besten ist, wenn Du es gleich
an einem Tage erledigen könntest. Die Ermächti-
gung mußt Du meiner Tante schon vorschreiben,
daß sie nur noch zu unterschreiben braucht.
Du kannst meine als Vorlage benutzen. Wenn Du
dann die Bücher bekommen hast, bringe sie bitte
nach Ahden zu meinen Sachen. Ich hoffe, daß die
Kasse in Paderborn noch heile ist und die Konten
noch besitzt. Mein Vater hat in Dortmund
auch genug zu tun, daß er die nötigen Papiere be-
kommt und auch das Sparbuch wiederbekommt. Es ist
ja eigentlich Quatsch, daß man so hinter dem Gelde
her ist. Es ist aber auch eine große Duseligkeit,
daß meine Eltern die wichtigen Papiere nicht mit
in den Bunker genommen haben. Jetzt stehen sie
da ohne alles. Ich habe leider keinen Brief
mehr bekommen von Berge, außer dem einen, der mir
die Katastrophe mitteilte.
Eine Neuigkeit; hier in der Gegend werden überall
die Fahrräder beschlagnahmt für den Volkssturm.
Bei Euch wird es vielleicht auch noch dazu kom-
men. Deshalb gebe doch bitte mal an meine Ku-
sine, sie möchte auf mein Rad gut aufpassen und
es sich nicht nehmen lassen. Vor allen Dingen, darf
kein Fremder wissen, daß dort im Hause ein Rad
sich befindet. Das Räderbeschlagnahmen ist auch
großer Quatsch, wenn man sie nicht abtransportieren
kann. Und daran fehlt es ja überall.
   Morgen ist Dein Namenstag, da werde ich ganz be-
sonders an Dich denken. Ich freue mich, daß ich
Dich, Du „Perle von Wewelsburg”, wiedergefunden habe.
Darauf darfst Du Dir ruhig etwas einbilden.
Ich bleibe Dir treu, kleine süsse Braut denn ich
liebe Dich über alles. Tausend süsse Küsse und
Grüße sendet Dir Dein Dich von Herzen lie-
bender
                Franz

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Blatt 1/6 von 1945.03.18 Brief Franz an Josi



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