Wewelsburg, d. 15.6.1948

      Mein herzallerliebster Waldo!
  Das Schützenfest, auf das ich mich schon so lange gefreut hatte
ist nun vorbei. Gott sei Dank! Ich war gestern nur ganz kurz bei der Vogel-
stange. Gestern abend hat es mir garnicht gefallen. Hanna, Annel. u. ich
gingen schon gegen 11 h nach Hause. Da war der Pastor noch bei uns.
An unserem Tisch war gleich keine gute Stimmung. Ich war müde vom Schnaps.
Später, wir waren schon weg, war allerseits Krach, aber jedes Päärchen für sich.
Mit Meinolf u. Hilde, das ist nicht tragisch zu nehmen. Fr. Artschw. war total
betrunken, sie weiß garnicht wie sie nach Haus gekommen ist. Sie bekam
Krach mit ihrem Mann aber gegen Morgen fand noch gleich die Versöhnung
statt. Otto und Marianne haben sich auch gezankt. Ganz toll war es mit
Heinrich u. Rosi. Man kann nur sagen: der verdammte Schnaps. Wenn Heinr.
einen in der Krone hat, dann ist es schlecht mit ihm. Gut, daß der Alkohol
auf Dich u. mich nicht in einer solchen Weise wirkt. Ich habe den Krach
nicht mit angehört u. kann nicht beurteilen, wer da die größte Schuld hat.
Aber ich weiß wie Heinrich ist, wenn er blau ist. Da ist Willi nun wieder
anders, der fällt in Gesellschaft wenigstens nicht aus der Rolle.
Rosi hat bestimmt keinen edlen Charakter. Ich finde sie dumm u. gewöhn-
lich. Sie tut jetzt so, als wäre es eine Gnade, daß sie Heinrich geheiratet hat.
Was Heinrich aber da oben schafft, daran denkt sie nicht. Heinrich ist
u. war schon immer überempfindlich. Ich sehe schwarz. Mit deren Verliebt-
heit scheint es bald vorbei zu sein u. dann bleibt bei denen anscheinend nichts
mehr übrig. Ich glaube, wenn denen etwas schief geht im Leben, dann las-
sen sie gleich die Nase hängen u. sind ungenießbar. Hoffentlich läßt sich
dieser Streit noch einmal überbrücken u. ist eine Lehre für sie. Ich rege
mich weiter nicht darüber auf. Wir haben mit uns genug zu tun.
Liebster Waldo, wie bist Du gestern in Kirchlinde angekommen? Hoffentlich
war gestern nichts Besonderes. Du warest doch sicherlich sehr erschöpft.
Ich wünsche mir, daß wenn Du jetzt wieder nach hier kommst, wir ganz
ruhige Tage haben u. möglichst viel für uns sind. Ich freue mich schon
auf das nächste Zusammensein mit Dir.
Heute mußte ich Hilde wieder weg bringen u. zugleich Kartoffeln für uns
mitnehmen. Denn mit den drei Kindern allein
das war ein bißchen viel für sie. An den Kartoffeln hatte ich schwer zu schlep-
pen u. war zu spät gegangen. Ich war kurz vor dem Weiner Bahnhof, auf den
Schienen, als der Zug schon abfuhr. Stell Dir vor, der Lokführer war so lei-
benswürdig u. hielt an, damit ich einsteigen konnte. Ich war gerührt.
Genau so gut hätte man mich bestrafen können. Wer nicht wagt, der
nicht gewinnt. Ich bin dann auch noch ohne Fahrkarte gefahren. 1 M hatte
ich nur bei mir. --- Hanna ist heute nachm. gefahren. Ich jammere so etwas
nach ihr. Hoffentlich hat sie es gut. Das wäre das Neueste. Was denkst Du,
daß ich so über Rosi herziehe? Du tust so etwas grundsätzlich nicht. Aber ich
denke, Dir darf ich ohne Hemmungen alles schreiben. Gute Nacht! Wie schön
wäre es, könnte ich mich jetzt mit Dir schlafen legen. In Gedanken küßt u. umarmt
Dich heiß u. innig Deine sich nach Dir sehnende
                                    Josi.

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Blatt 1/2 von 1948.06.15 Brief Josi an Franz



Blatt 2/2 von 1948.06.15 Brief Josi an Franz