Wewelsburg, d. 9.Sept. 1947

      Mein lieber Waldo!
Es ist schon spät, doch einen Brief für Dich
werde ich wohl noch hinkriegen. Für Deinen
lieben Brief, den ich am Samstag erhielt,
danke ich Dir herzlichst.
Mutter geht es sehr schlecht. Sie ist garnicht
wieder zu erkennen. Das Mißtrauen was
Willi u. Kathi ihr entgegen bringen u.
deren Unehrlichkeit quält sie fast zu Tode.
Kathis ganze Haltung ist unehrlich.
Willi will Mutter um das, was ihr im
Testament verschrieben ist, betrügen.
Mutter ist ihm im Wege u. das merkt sie.
Was das für sie bedeutet, kannst Du Dir
denken. Mutter hat auf einmal keinen
Lebensmut mehr, sie will sterben. Ich bin fest
davon überzeugt, wenn sie nicht mehr den Willen
zum Leben hat, ist es in ein paar Tagen aus.
Heute mittag wußten Hanna u. ich uns
keinen anderen Rat mehr, als dem Pastor zu
sagen, daß Mutter krank wäre. Er kam dann
sofort u. hat tatsächlich ein halbes Wunder
gewirkt. Der Pastor war ganz sprachlos über
das, was Mutter ihm von Kathi u. Willi
erzählte. Ich werde Dir demnächst einiges
erzählen. Am Sonntag kam ein Wisch
vom Rechtsanwalt, den Mutter unterschreiben
sollte. Der hat sich von Willi durch Schmie-
ren bestechen lassen. Der Pastor sagt, daß
Mutter niemals etwas unterschreiben soll.
Wofür ist denn auch das Testament da.
Willi hat sich damals mit Allem
einverstanden erklärt u. unterschrieben.
Der Pastor meinte, wir sollten ihn immer
sofort rufen, wenn bei uns etwas nicht
stimmte. Er schätzt Mutter ja sehr.
Willi u. Kathi will er nicht trauen
wenn nicht beide zur hl. Kommunion
gehen. Verloben wollen sie sich kirchlich. Sonn-
tag abend waren die zwei beim Pastor. Da ist
er so richtig auf Beide reingefallen. Auf die
Verlobung kann sich niemand von uns freuen.
Zu trinken gibt es sehr gut u. auch in Men-
gen u. auch gutes Essen. In sofern verpaßt Du
schon etwas. Es liegt ja ganz bei Dir, ob Du
kommst. Ich werde an dem Tage keine Zeit
für Dich haben. Wie steht es mit Deinem Urlaub?
Schön wäre es, wenn Du bis dahin hier wärest.
Der Pastor erkundigte sich schon oft danach.
In Bielefeld ist nichts zu machen. Dort haben
sich schon so viele Ärzte gemeldet. Einen verhei-
rateten Arzt will man schon recht nicht nehmen.

Beinah hätte ich Dich am letzten Samstag besucht.
Herbert Schüttler ist nun doch gest.
Mir tut das sehr leid. Am Sonntag wurde er beerdigt.
Leider kam erst gestern die Nachricht.
In Liebe, Treue u. Sehnsucht Deine Josi.

Sprich bitte mit niemanden über unsere traurigen Verhältnisse.

Hoffentlich bist Du bald wieder bei mir.
1000 liebe Grüße u. Küsse sendet Dir Deine Josi.

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Blatt 1/4 von 1947.09.09 Brief Josi an Franz



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