Nr.44                           Wewelsburg, d. 29.Sept. 1946

         Mein liebster Waldo!
    Ob wohl morgen ein Brief von Dir ankommt, in dem
etwas Gutes steht u. ich Dir diesen Brief umsonst schreibe!?
Hoffentlich!!! Dein letzter Brief, den ich erhielt, war vom
8. Sept. Liebster würdest Du doch endlich, endlich entlassen.
Ich warte sooo auf Dich. Wenn Du Dich ein bißchen beeilst,
bekommst Du noch von unseren süssen Weintrauben. Schrecklich
gern möchte ich Dir davon welche zukommen lassen.
Seit Donnerstag sind richtig heiße Sonnentage, wie im Hoch-
sommer. Des Abends ist immer eine wunderbare u. milde
Luft u. so ein schöner klarer Sternhimmel. Dann denke ich
immer mit besonderer Sehnsucht an Dich.
Heute abend war noch Andacht mit Predigt, wie immer
am St. Michaelstage. Am Nachmittag lag ich im Garten
u. wollte lesen, da kam Püssels Seppel mit seiner Frau u.
seinen beiden Blagen u. blieben, bis ich melken mußte. Ich
legte keinen Wert auf ihre Gesellschaft, lieber hätte ich
gelesen, denn ich komme so selten dazu. Heute abend ist
es auch schon wieder recht spät u. ich bin so müde. Morgen
muß ich waschen, übermorgen machen wir die späten Kartoffeln
aus, dann müssen die sortiert werden. Vor November kommt
man nicht zur Ruhe. Es ist eine tolle Hetzerei. Mutter geht
es so sehr schlecht, sie hat die Gürtelrose.
Otto hat den Mund so furchtbar kaputt. Dr. Trauboth
hat ihm prophezeit, er bekäme die selbe Krankheit, die
Hanna vor einem Jahr hatte. Ich glaube nicht, daß es so toll
wird. Bei Otto fing das schon vor einer Woche an.
Hanna konnte damals nach 3 Tagen nichts mehr essen, nicht
sprechen u. hatte Fieber. Das hat sehr lange bei ihr angehal-
ten, sie bekam täglich Spritzen. In der Zeit hat sie viel
mitgemacht, vorher hat sie ein paar schwerende Finger gehabt.
Willi sieht unheimlich schlecht aus. Er arbeitet wieder,
isst aber fast nichts.
Am Donnerstag u. Freitag waren mehrere Kühe dick. Eine
Kuh mußten wir stechen, aber nicht schlachten. (voriges Jahr
haben wir aus dem Grunde die beste Kuh schlachten müssen.)
Die anderen Kühe haben wir so wieder zurecht gekriegt.
Das Vieh leidet sehr unter dem Stechen.
Deiner Tante gefällt es gut bei Ottens. Sie ist dort ganz
mit in der Familie u. bezahlt, genau wie in Wünnen-
berg täglich 3 M.
Hanna ist augenblicklich glücklich dran. Herr Steinort
ist fast dauernd hier. Mutter ist immer im Bett u. Willi
ist meist im Feld. Wäre er katholisch, dann hätte
Mutter nichts dagegen. Meine Tante aus Löhne ist Gott sei
Dank wieder weg. Augenblicklich sind Klothilde u. meine
Tante aus Paderb. hier.
Liebster, ich bin so müde, auf meine Schrift achte bitte
nicht. Komm bald u. laß Dir alles erzählen u. laß Dich
herzlichst grüßen u. küssen von
                            Deiner Josi.

Lieber Schwager, auf Josis Wunsch will ich Dir am
späten Abend auch noch einige Zeilen zukommen lassen.
Wie geht es Dich, mich tut es noch gut gehen.
Neuigkeiten hat Josi sicher schon berichtet. Lass Dich entlassen.
Ich bin krank, darf nicht küssen, Mundfäulnis oder was H. hatte, Otto.

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Blatt 1/3 von 1946.09.29 Brief Josi an Franz



Blatt 2/3 von 1946.09.29 Brief Josi an Franz



Blatt 3/3 von 1946.09.29 Brief Josi an Franz