30.(31)                           Wewelsburg, d. 18.Aug. 1946
                                  Metz, d. 27.8.46.

                Mein liebster Waldo!
    Endlich habe ich einige Briefumschläge erstanden. Heute nachmittag
will ich mein gewohntes Sonntagsmittagsschläfchen für Dich opfern. Heute
abend habe ich keine Zeit zum Schreiben weil der Pastor einen Vortrag über Lob
hält. heute nachmittag haben wir Jungfrauenversammlung.
Sonntag ist Meinolfus u. Du bist wahrscheinlich wieder nicht hier. Traurig ist
das. Aber der Trost, daß doch einmal das Wiederseh'n kommt, bleibt uns.
Es ist hier furchtbar unruhig. Ich sitze wie immer wenn ich Dir schreibe,
auf unserem Schlafzimmer. Unten halte ich mich selten auf wenn Willi zu
Hause ist. Mutter u. Hanna sind auch hier. Dann kommt Heinrich, dann Otto
oder Lothar, dauernd Betrieb. Aber es ist schön, daß wir uns so gut verstehen.
Heinrich ist jetzt ganz anders geworden. Willi war nun schon am 2. Sonntag
nicht zur Kirche. Mich kann das keineswegs erschüttern. Er ist alt genug
um zu wissen was er zu tun hat. Er muß es selbst verantworten.
Mutter geht es gesundheitlich garnicht gut. Ihr Herz will nicht mehr recht
u. sie ist oft schwindelig. Hoffentlich lebt sie noch lange. Das Gegenteil
wäre zu furchtbar. Mit Tante ist auch in letzter Zeit nichts los.
Jetzt nähen wir erst meine Wäscheaussteuer, das macht Spaß. Liebster, wenn
Du nur erst kommst alles andere wird sich dann schon finden.
Leider habe ich von Dir noch keine Post wieder bekommen. Die letzte Nach-
richt, die ich erhielt, war eine Karte (Nr.9) vom 24 Juli. Du bedankst Dich da
für meinen Brief Nr. 18. ich warte immer so voller Sehnsucht auf Post von
Dir. Wie sind die Aussichten auf Deine Entlassung? Es kommen so wenig
Soldaten zurück. Mein Vetter Leo aus Haspe schrieb von England, an Entlassung
wäre noch nicht zu denken. Mein Vetter Albert Cramer hat sich zu aller
Erstaunen plötzlich verheiratet. Die Tante Luise (Fr. Cramer) hat sich damals
so über Hilde aufgeregt u. dann noch in der herzlosesten Weise Mutter gegenüber.
Mir scheint, daß Cramers nun auch ihr Fett haben. Obwohl ich es Albert nicht
wünsche, daß sein erster Sprößling zu früh ankommt. Er hat Eilers Hilde geheira-
tet. Vielleicht erinnerst Du Dich an das Schuhgeschäft in Paderb. an der Westernstr.
Die ist wohl Alberts erste Liebe hat aber schon ein Kind von einem verheirateten
Mann.
Hier zu Hause gibt es nichts Neues. Seit 2 Wochen ist Frau Artschw. Bruder hier.
Ein Maler, ein wirklicher Künstler. Er hat Hanna gemalt, einmal ihr Profil
u. einmal ihr Gesicht von vorn. Ich bin ganz hingerissen. Das Bild das lebt, so
natürlich, das hat Seele. Mich wird er leider wohl nicht malen, er reist schon
Dienstag wieder ab, schließlich sind dieses seine Ferien. Hanna ist ihm besonders
sympathisch. Sie sind wohl beide ein bisschen ineinander verliebt. Mich freut
das für Hanna. Hanna hat nämlich wieder Pech in der Liebe, wie immer.
Ich muß Dir das nächstens erzählen, man kann das nicht alles so schreiben.
Sie wartet schon seit Weihnachten auf ein Lebenszeichen von ihrer großen Liebe. Aber
vergebens, seine Anschrift weiß sie nicht, zudem kann sie ihm auch nicht nachlaufen.
Wenn er sein Versprechen, Hanna zu heiraten, nicht halten wollte, mußte er das
wenigstens schreiben. Ich kann mir das nicht erklären. Ist das Feigheit von ihm?
Daß sich die Menschen das Leben so schwer machen, ist traurig. Hannas Krankheit
rührt in erster Linie daher. Durch diesen Künstler wird sie diese Enttäuschung wohl
leichter überwinden. So tief daß sie von neuem enttäuscht wird, geht diese Liebe wohl
nicht. Dieser Herr Steinort ist wirklich sehr nett, schon ein bisschen alt, weder katho-
lisch noch evangelisch. Man steigt bei ihm nicht recht dahinter. Vielleicht ist er doch
evangelisch. Hanna hofft noch immer auf den Anderen. Der ist katholisch u. hat
einen großen Bauernhof. Mündlich mehr darüber. --
Josefine aus Siddingh. rief gerade an, ob Du medizinische Bücher hättest, die sie
haben könnte. Ich habe ihr versprochen in Ahden nachzusehen. Aber daß sie keins
bekommt, steht fest bei mir. Ich weiß ja nicht ob es Dir recht wäre, ihr welche
zu leihen. Ich bin ja sowieso dafür, daß sie keine bekommt. - Morgen muß ich den
ganzen Tag in's Feld. Wir wollen Wicken mähen. Das ist Pech, ich geh so ungern
mit. Lange brauche ich es ja sicher nicht mehr. Herzl. Gruß von meiner Mutter
u. meinen Geschwistern u. auch von Tante.
Die allerherzlichsten Grüße sendet Dir Deine Josi.

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Blatt 1/2 von 1946.08.18 Brief Josi an Franz



Blatt 2/2 von 1946.08.18 Brief Josi an Franz