I
                      Montag d. 4.Febr. 1946.
    Liebste Josi!
Die herzlichsten Grüße und tausend Küsse em-
pfange von Deinem immer an Dich denkenden Franz.
Wiedermal bietet sich mir die Gelegenheit, Dir auf
schwarzem Wege einen Brief zu senden. Es passt
sehr gut. Denn Vorgestern auf Maria-Lichtmess habe
ich Deine Karte mit den fünfundzwanzig Worten
erhalten. Konntest Du denn nicht auch einen länger-
en Brief schreiben? Vielleicht ist es noch nicht er-
laubt. Ich kenne die Bestimmungen nicht. Ich
habe mich riesig gefreut, als ich hörte, daß ich
Post bekommen hätte. Ich war gerade beim Essen. Wenn
auch nur wenig Worte sind, so kann ich doch sehr
vieles daraus entnehmen. Ganz besonders hat mir
gefallen, daß Du schreibst „In Treue, Josi”. Das bedeutet
für mich alles, meine ganze Zukunft mit Dir, gelieb-
tes Mädel. Und daß Du soo... wartest, kann ich ver-
stehen, wenn diese Karte die erste Post von mir war.
Das soll wohl das „endlich” bedeuten. Armes Mädel,
daß Du solange ohne Nachricht warst. Ich hatte Dir
am 13. Juni einen Brief geschrieben auf diesem vorge-
schriebenen Briefformular. Sehr schön ist ja, daß Du
mit meiner Mutter im Briefwechsel stehst. Dann hast
Du auch sicher daher erfahren, daß ich in Gefangenschaft
gekommen bin. Ich habe jetzt die Nase voll von den
Amerikanern. Es ist nicht schön, daß sie uns so
lange festhalten, wo der Russe doch bald alle Gefangenen
entlassen hat. Man hört es immer wieder. Otto
sitzt hier in Frankreich beim Ami oder beim French-
man? Heute ging mal wieder eine Parole, daß der
Amerikaner auch die letzten Gefangenen bis April ent-
lassen will. Hier könnte die Arbeit schon lange been-
det sein, wenn der Amerikaner nur wollte. Sie versu-
chen ihre Stellung hier möglichst lange zu halten u
zögern alles hinaus. Ich hoffe aber trotzdem für unser
Lager, daß nur 150 Mann hat, daß es in 3 Wochen auf-
gelöst wird und wir entlassen werden. Wo Deine Brüder
zu Hause sind konntest Du jetzt weggehen, um andere
Leute und Verhältnisse kennen zu lernen. Und auch wohl
deswegen mußtest Du Arbeit annehmen, weil jeder
irgendwo arbeiten muß. Weihnachten und Neujahr
bist Du zu Hause gewesen. Das sehe ich am Post-
stempel und weil Du schreibst: Hanna und Mia sind
unten. Dann wird wohl alles bei Euch in Ordnung sein.
Das sind so meine Gedanken, die ich mir mache. Jetzt
haben sie schon einen Anhaltspunkt. Die Karte ist wie
ein Stückchen Heimat in dieser Trostlosigkeit. So habe
ich denn gestern mit Freuden der Mutter Gottes gedankt bei
unserem Gottesdienst gestern am Sonntag. Mit vier Mann
haben wir das „Salve Regina” gesungen, während der
Priester den Blasiussegen austeilte. Wir haben jeden Sonntag
im Revier hl. Messe, die ein französischer Geistlicher
hält. Der Pfarrer kommt gerne, weil er hinterher bei den
Amis ein gutes Frühstück bekommt.
II
Heute nachmittag war ich mit 10 Mann nach Bar le
Duc zum Zahnarzt. Es war heute mal wieder viel
los. Gerade als wir losfahren wollten, passierte im Werk
ein Unfall. 3 Mann hatten sich verletzt. Einen
habe ich gleich mitgenommen nach B. zum Röntgen.
Und da stellte sich heraus, daß er am lk Fuss beide
Knöchel gebrochen hatte. Er ist dann gleich dort geblie-
ben und wird wahrscheinlich diese Woche mit einem
Lazarettzug nach Deutschland fahren. Der Zahnarzt
in B. ist ein gute Bekannter von mir, ein Studien-
kollege. Ich versorge ihn reichlich mit Esswaren und
dafür muss er mir meine Patienten behandeln. Hier
im Lager ist auch ein Zahnarzt, aber der hat keine Bohr-
maschine. Er kann nur kaputte Zähne herausreissen.
  Du hast jetzt sicher meine früheren Briefe er-
halten und weisst, daß es mir gut geht. Berichte
das bitte auch an Agnes in Ahden. Schreibe mir
bitte nicht an diese Adresse wieder, sondern nur auf
dem regulärem Wege: Adresse auf der Suchkarte, oder
neuerdings eine lange Adresse mit drei verschiedenen
Nummern. Unsere Kompanie-Nummer ist dieselbe.
Nur A.P.O. (Army Post-Office) ist jetzt: A.P.O. 164.
Diese überspitzte Adresse kann nur eine Erfindung von
Deutschen sein. Ich hoffe, daß Du mir auf den Brief,
den ich am 4. Jan. über diese Adresse geschrieben habe,
geantwortet hast. Dann werde ich jetzt wohl den Brief
bekommen, wenn der Am. zurückkommt.
Jetzt will ich Dir mal die lange Adresse aufschreiben, wie
sie richtig heissen soll:
    Unterarzt Dr. .... 31G/2342220 German
    7988 Lab. Serv. Co./1184 Lab. Suprv. Co.
    186 Lab Suprv Center/6th Lab. Sup.vr Area
    A.P.O 164 US-Army Via. Köln.
Antwort werde ich wohl kaum auf diesem Wege erhalten.
Ich hoffe, daß ich früher entlassen werde.
Du glaubst gar nicht, wie ich mich freue, daß ich ein
Lebzeichen von Dir in meinen Händen habe, und indirekt
auch von meinen Eltern. Nun muß ich aber Schluß machen.
Der Amerikaner wartet schon. Herzliche Grüße und tausend
süsse Küsse empfange von Deinem immer an Dich
denkenden
                   Franz.
Auf dem beiliegenden Bild siehst Du unser Lager.
In der Baracke ganz rechts schlafe ich.

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Blatt 1/4 von 1946.02.04 Brief Franz an Josi



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